Letztes Wochenendende unternahmen mein Partner und ich eine Rundwanderung hoch über dem Genfersee (https://www.schweizmobil.ch/fr/suisse-a-pied/itineraires/route-0266.html) und als Belohnung für die Anstrengung wollten wir anschliessend im türkisfarbenen See baden. Endlich am See angekommen wehte jedoch plötzlich ein heftiger Wind, der See war eher graublau als türkis, Wellen peitschten auf und ab, das Wasser war aufgewühlt, Schwemmholz trieb am Ufer. Nach kurzem Hin und Her wagten wir dennoch den Sprung ins aufgewühlte Nass, kämpften gegen hohe Wellen und widerspenstige Seepflanzen. Zwei Stunden später, nach einem gemütlichen Apéro bei Sonnenuntergang, war der See wieder spiegelglatt, der Himmel färbt sich langsam rosa, die Stimmung war magisch. Einen Moment lang nervte ich mich: Hätten wir nicht besser ein bisschen gewartet? Wäre es nicht romantischer gewesen, im spiegelglatten See dem Sonnenuntergang entgegenzuschwimmen?
Gibt es den „richtigen“ Moment?
Natürlich. Doch gibt es ihn, den einen richtigen Moment? Den Zeitpunkt also, wo sich alle Puzzleteilchen auf magische Weise zusammenfügen? Den richtigen Zeitpunkt, um eine neue Stelle anzutreten, eine Familie zu gründen, ein Haus zu kaufen, eine Weltreise zu machen, ein Buch zu schreiben, ein eigenes Geschäft zu eröffnen oder eben im See zu baden? Und sollten wir wirklich auf diesen einen magischen Zeitpunkt, diese Fügung des Universums, warten?
Meine Antwort ist ein dezidiertes Nein. Die letzten zwei Jahre meines Lebens waren schwierig. Ich musste erfahren, wie schnell das Leben vorbei sein kann, wer wirklich für mich da ist, wenn es mir schlecht geht, auf welch zerbrechlichem Untergrund wir gehen. Vieles entzieht sich unserer Kontrolle, ist nicht planbar, nicht vorhersehbar. Es ist schwierig, die Unsicherheit des Lebens zu akzeptieren. Doch gleichzeitig verbrigt sich hinter dieser Unsicherheit ein grosser Schatz, meiner Meinung nach der grösste Schatz des Lebens: der gegenwärtige Moment.
Go with the flow
Eins habe ich in den letzten zwei Jahren gelernt: Es ist ungemein befreiend, mit dem Leben zu gehen, anstatt ständig alles kontrollieren zu wollen. Eine solche Haltung erlaubt uns, mehr im Hier und Jetzt zu sein und die alltäglichen Momente deutlicher wahrzunehmen: Ein liebevoll zubereitetes Essen, die Sonne auf der Haut, der Duft von frisch gekochtem Kaffee am Morgen, das leise Prasseln des Regens, der Wind, der durch die Bäume rauscht. Und dann können selbst Seepflanzen, die an den Beinen kitzeln, plötzlich Glücksgefühle auslösen.
Mein „Schwumm“ im windgepeitschten Genfersee war zwar anstrengend, aber er hat sich gelohnt, ich war ganz präsent, ganz da, ganz im Moment. Es ist nicht möglich, alles zu haben. Aber das, was wir haben, können wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen und geniessen. Und dafür ist immer der richtige Moment. Und apropos: Lernen wir letztlich nicht mehr, wenn wir gegen hohe Wellen kämpfen, als wenn wir uns im spiegelglatten See vergnügen?
Den Moment „richtig“ leben
Vielleicht sollten wir die Frage also anders stellen. Anstatt uns mit der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt herumzuquälen, könnten wir uns fragen: Will ich wirklich eine neue Stelle antreten, eine Familie gründen, ein Haus kaufen, eine Weltreise machen, ein Buch schreiben, ein eigenes Geschäft eröffnen, im See schwimmen? Wenn die Antwort Ja lautet, dann solltest du dich auf den Weg machen, denn der Weg ist möglicherweise lang und das Leben kurz.
Wann ist also der richtige Moment? Die Antwort ist ebenso einfach wie prägnant: Jetzt! Denn den einen richtigen Moment gibt es nicht. Vielmehr können wir aus jedem Moment einen „richtigen“ Moment machen, indem wir ihn mit all unseren Sinnen wahrnehmen. Und wenn wir ganz im Hier und Jetzt sind, ganz bei uns, stellt sich manchmal dieses magische Gefühl ein, dieses Gefühl von Verbundenheit mit allem, dieses Gefühl von purem Glück. Und dieses Glücksgefühl wünsche ich dir von ganzem Herzen!
Liebe Leserin, lieber Leser: Gibt es deiner Meinung nach den einen richtigen Moment, um etwas anzugehen? Und wartest du darauf? Ich freue mich über deinen Kommentar.
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