Letzte Woche schwang ich wieder einmal widerwillig den Putzlappen und kämpfte gegen den Staub, die Katzenhaare und meine Putzaversion. Ich schrubbte gerade leicht genervt die Badewanne, als ich mich fragte, wie viele Stunden pro Woche wir eigentlich mit Hausarbeit verbringen. Mit – wie es das Wort ja schon sagt – Arbeit. Arbeit jedoch, die nicht bezahlt wird. Arbeit, die belächelt und nicht als «richtige» Arbeit betrachtet wird. Und Arbeit, die auch im 21. Jahrhundert überwiegend von Frauen erledigt wird.
Schweizerinnen verbringen durchschnittlich 27,5 Stunden pro Woche mit Hausarbeit
Ich wollte es genau wissen und recherchierte: Laut dem Bundesamt für Statistik arbeitete Frau Schweizer im Jahr 2013 pro Woche durchschnittlich 27,5 Stunden im Haushalt, während es Herr Schweizer auf 17,3 Stunden brachte. Die Statistik berücksichtigt dabei klassische Hausarbeiten wie Putzen, Waschen und Kochen, aber auch die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Erwachsenen.
Betrachten wir ausserdem die kinderlosen Paare, die in einem 2-Personen-Haushalt leben: Frauen verbrachten 2013 durchschnittlich 22,6, Männer 15,4 Stunden pro Woche mit Hausarbeit. Erstaunliche Zahlen, nicht wahr?
Doch nähern wir uns dem Gegenstand von einem anderen Gesichtspunkt: Was ist das Gegenteil von Arbeit? Richtig, das Gegenteil von Arbeit ist Freizeit. Die freie Zeit wiederum dient uns dazu, uns von der Arbeit zu erholen und Energie zu tanken. In der Freizeit frönen wir normalerweise unseren Hobbys: Wir lesen Bücher, treffen Freunde, gehen spazieren, besuchen das Theater oder treiben Sport.
Aber wer von uns würde Putzen, Waschen, Bügeln und Aufräumen als seine beziehungsweise ihre Hobbys bezeichnen? Nein, Hausarbeit ist kein Hobby, auch wenn wir einen beträchtlichen Teil unserer Freizeit damit verbringen.
Die brennende Frage ist somit: Warum unterscheiden wir zwischen öffentlicher bezahlter und privater unbezahlter Arbeit? Oder anders formuliert: Warum werden die Bäckerin und der Versicherungsberater für ihre Arbeit bezahlt, während die Hausfrau und der Hausmann am Ende des Monats keinen Lohn auf dem Konto verbuchen können?
Unser Verständnis von Arbeit basiert auf der protestantischen Arbeitsethik
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Erstens zeigt uns die Geschichte, dass der Begriff der Arbeit viele Bedeutungsverschiebungen erlebte. Starten wir im Mittelalter. Im frühen Mittelalter galt die Arbeit als Mühsal und als Strafe Gottes. Die Arbeit oblag folglich vor allem dem dritten Stand, den Bauern. Tagtäglich standen sie auf dem Feld und mussten sich für ihre Herren abrackern. Und so deren Lebensunterhalt sichern.
In der Frühen Neuzeit änderte sich das Verständnis von Arbeit grundlegend. Die Reformatoren erklärten die Arbeit zur allgemeinen Pflicht, die nicht in Frage gestellt werden durfte. Wer nicht arbeitete, handelte jetzt gegen Gottes Willen.
Die protestantische Arbeitsethik trat also ihren Siegeszug an. Und sie bleibt – wenn auch in abgewandelter Form – bis heute fest in unseren Köpfen verankert. Wer im Jahr 2017 nicht arbeitet, handelt zwar nicht mehr gegen Gottes Willen. Aber sehr wohl gegen das unumstössliche Gebot, dass Arbeit eine allgemeine Pflicht ist. Denn wer nicht arbeitet, gilt nach wie vor als faul und asozial.
Die Industrialisierung: Wie es zur Trennung von öffentlicher und privater Arbeit kam
Zweitens zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass erst die Industrialisierung, die im späten 18. Jahrhundert in Grossbritannien einsetzte und die Gesellschaftsstruktur tiefgehend veränderte, zur Trennung von öffentlicher Lohnarbeit und (unbezahlter) Hausarbeit führte.
Zwar gibt es seit der industriellen Revolution einen variierenden Anteil von Frauen, die am Erwerbsleben teilnehmen. Doch bis vor wenigen Jahrzehnten gab die Frau nach der Hochzeit die bezahlte Erwerbsarbeit meist wieder auf. Denn das herrschenden Rollenverständnis sah vor, dass sich die Frau um die private Sphäre – also den Haushalt und die Kinder – zu kümmern hatte, während der Mann einer bezahlten, öffentlichen Arbeit nachging. Die öffentliche Arbeit wurde entsprechend auf-, die private Arbeit abgewertet.
Unbezahlte Hausarbeit benachteiligt die Frauen
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nimmt die Erwerbsquote von Frauen kontinuierlich zu. Doch machen wir uns nichts vor: Männer und Frauen sind bis heute nicht gleichermassen ins Erwerbsleben integriert, zumindest nicht in der Schweiz. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen: 2016 arbeiteten 6 von 10 Schweizer Frauen in einer Teilzeitanstellung, während es bei den Schweizer Männern gerade einmal 1,6 von 10 waren.
Halten wir fest: Nach wie vor arbeiten Frauen also hauptsächlich Teilzeit, Männer Vollzeit. Nach wie vor erledigen die Frauen jedoch den grösseren Teil der Hausarbeit. Und nach wie vor zahlt sich diese Arbeit zumindest materiell nicht direkt aus.
Gewiss, es gibt viele Gründe, warum Frauen eine Teilzeitbeschäftigung vorziehen. Doch ist es nicht so, dass viele Frauen wegen der häuslichen Pflichten auf eine Vollzeitstelle verzichten? Weil Familien-, Haus- und Erwerbsarbeit noch immer wahnsinnig schwer unter einen Hut zu bringen sind?
Hand aufs Herz: Würde die Hausarbeit anders bewertet, wenn sie überwiegend von Männern verrichtet würde? Widerspiegeln sich in der unbezahlten Hausarbeit nicht überkommene Genderklischees und die Diskriminierung der Frau?
Hausarbeit ist Arbeit
Wir sollten nach vorne blicken. Und ein klitzekleines Stück zurück. Denn der Blick in die Geschichtsbücher macht Mut. Er zeigt uns: Was wir unter Arbeit verstehen, ist nicht in Stein gemeisselt. Der Begriff ist – wie jeder – menschengemacht. Und daher veränderbar.
Also Leute, warum schreiben wir nicht ein neues Kapitel Arbeitsgeschichte? Räumen wir mal richtig mit überalterten Vorstellungen auf und entstauben kräftig. Die Gleichstellung von öffentlicher und privater Arbeit wäre hierbei ein wichtiger Punkt. Denn Hausarbeit sollte als das angesehen werden, was sie ist: Als «richtige» Arbeit.
Liebe Leserin, lieber Leser, wie viele Stunden verbringst du pro Woche mit Hausarbeit? Sollte die Trennung von öffentlicher und privater Arbeit überdacht werden? Und wie könnte die private der öffentlichen Arbeit gleichgestellt werden? Ich bin gespannt auf deine Meinung!
2 Kommentare
Liebe Eveline
Wozu soll eine Unterscheidung von öffentlicher und privater Arbeit dienen ? Arbeit ist was Energie verzehrt resp. umlagert.
Der Arbeitslohn ist die Entschädigung die jemand einem (typischerweise) Anderen im Tausch für dessen Arbeitsleistung gibt. Wer für sich selbst etwas schafft darf sich selbst eine Rechnung stellen und auch selber bezahlen. Auch das ist möglich – aber sinnfrei.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Paare ihre Einkünfte zusammenlegen und davon alle Ausgaben tätigen. Fairerweise sollten dann beide abends auch gleich müde sein. Dabei spielt es aber keine Rolle ob Hausarbeit für die eigene kleine Gemeinschaft oder Arbeit gegen Geld für Dritte geleistet wird. Verheiratete teilen sich bei einer Trennung auch die Rentenbeiträge welche sich mit dem Erwerbseinkommen angesammelt haben. Ebenso werden Ausgleiche für die ungleichen Karriereentwicklungen der zuhause oder extern arbeitenden vorgenommen. Klar ist aber auch dass diese Ausgleichszahlungen zwischen den Partnern zu leisten sind. Der Öffentlichkeit hingegen ist es so lang wie breit, ob und wie gut der Haushalt gemacht wurde.
Ich halte das heute System für sehr gut. Es steht jedem Paar frei, die Formen des Zusammenlebens selbst zu definieren. Die Ehe ist ein All-Inklusive Angebot. Die Vereinbarungen können auch mit freien Verträgen geregelt werden. Schwierig wird’s nur da wo unterschiedliche Erwartungen unausgesprochen bleiben und nichts vereinbart ist.
Solange das Zusammenleben unsere ureigenste Entscheidung ist, solange können wir die Öffentlichkeit auch nicht für Fehler bei der Partnerwahl verantwortlich machen!
Lieber Rolf
Herzlichen Dank für deinen Kommentar. Ich bin ganz deiner Meinung – wir sollten davon abkommen, zwischen privater und öffentlicher Arbeit zu unterscheiden. Du hast Recht, natürlich liegt es an den betreffenden Paaren, wie sie sich die Arbeit und die Einkünfte aufteilen. Und keinesfalls sollte die Öffentlichkeit für die falsche Partnerwahl büssen. Aber ich denke auch, dass die Hausarbeit von vielen Leuten nicht als „richtige“ Arbeit betrachtet und belächelt wird. In meinen Augen widerspiegeln sich hier Genderstereotype – und das finde ich bedenklich.
Liebe Grüsse
Eveline