Minimalismus
Bewusstes Leben

Minimalismus: Ist weniger mehr?

Minimalismus ist zurzeit in aller Munde. Unzählige Blogs und YouTube-Kanäle propagieren den minimalistischen Lebensstil, Minimalisten lächeln von Zeitschriften-Covers und diskutieren in TV-Sendungen zwischen zwei Werbeblöcken über die Vorteile des Nicht-Besitzens. Und streiten hinter vorgehaltener Hand darüber, was ein richtiger Minimalist ist, beziehungsweise wie viele Dinge er besitzen darf.

Kinderarbeit, 16-Stunden-Arbeitstage und Umweltzerstörung

Auf den ersten Blick erstaunt diese Entwicklung. Denn wir leben in einer Zeit, in der immer breitere Bevölkerungsschichten am Konsum teilhaben können – Wohlstand, Geiz-ist-geil-Mentalität, Dumpingpreise und Billigstarbeitskräfte in Asien und Afrika machen’s möglich.

Doch es ist ein Teufelskreis mit weitreichenden Folgen. Wir kaufen immer mehr und wollen immer weniger dafür zahlen. Also wird immer mehr, schneller und billiger produziert – und zwar dort, wo es gerade am günstigsten ist. Faire Löhne, Arbeitsrechte und sichere Arbeitsbedingungen werden dabei der Profitmaximierung untergeordnet. Der Kapitalismus zeigt sein hässlichstes Gesicht.

Die Folgen für die Menschen in Bangladesch, Pakistan oder Kambodscha sind fatal: Berichte über Kinderarbeit, eingestürzte Kleiderfabriken, 16-Stunden-Arbeitstage, 7-Tage-Arbeitswochen und Umweltzerstörung häufen sich. Und rütteln auf. Denn Hand aufs Herz: Wer will schon ein T-Shirt tragen, das von einem hungrigen Kind in den Slums von Dhaka genäht wurde?

Teure Marken zahlen nicht mehr Lohn

Minimalismus ist einerseits eine Antwort auf diese unhaltbaren Zustände. Und somit eine Kritik an der unersättlichen Profitgier des Kapitalismus. Denn die meisten Unternehmen tun nach wie vor zu wenig. Zwar brüsten sie sich gerne mit vollmundigen Versprechen. Doch der schöne Schein der Hochglanzbroschüren trügt.

Auch wenn wir beispielsweise teurere Kleidung kaufen, ist damit nämlich keineswegs garantiert, dass die Näherin in Bangladesch mehr verdient. Im Gegenteil: Reportagen zeigen übereinstimmend, dass oft dieselbe Näherin für denselben Lohn in derselben Fabrik für Edelmarken und Billighersteller arbeitet. Einzig die Gewinnmarge der Unternehmen unterscheidet sich.

Was können wir also tun? Es ist einfach: Weniger konsumieren. Und das gesparte Geld in auserlesene, aber dafür fair produzierte Waren investieren.

Minimalismus: minimaler Besitz, maximale Freiheit

Doch der Minimalismus hat nicht nur eine ethische, sondern auch eine psychologische Komponente. Minimalisten sind sich einig: Besitz macht abhängig, Besitz bindet, Besitz raubt Zeit. Ein minimalistischer Lebensstil dagegen verspricht Freiheit, Autonomie und Glück durch Besinnung auf das Wesentliche. Es ist das viel beschworene einfache, selbstbestimmte Leben, das immer mehr Wohlstandsverwöhnte anzieht.

Besitz markiert den sozialen Status

Werfen wir einen Blick zurück zu den ersten menschlichen Gesellschaften, den Jägern und Sammlern. Jäger und Sammler lebten nomadisch, wirtschafteten ausschliesslich für den täglichen Gebrauch und besassen nur wenige, leicht transportierbare Gegenstände wie etwa Waffen, Kleider oder Schmuck. Jäger- und Sammlergesellschaften waren egalitär organisiert. Sie kannten keine sozialen Hierarchien, nur das Alter und Geschlecht differenzierte die Gruppe.

Dies änderte sich mit der Sesshaftigkeit: Jetzt konnte Besitz angehäuft werden, die Gruppe stratifizierte sich sozial. Und der Besitz wurde zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal.

So ist es bis heute geblieben. Mit Kleidern, Autos oder dem neusten Smartphone markieren die Menschen ihren Status innerhalb der Gesellschaft und grenzen sich voneinander ab.

Was aber passiert, wenn immer mehr Menschen Zugang zum Konsum haben? Wenn sich auch weniger Betuchte dank Dumpingpreisen jeden Monat neue Kleider oder Elektronikartikel leisten können? Ist Konsum in einer Welt, in der viele fast beliebig konsumieren können und Kleider zur Wegwerfware verkommen sind, gar nicht mehr interessant? Ist Verzicht gar der neue Besitz?

Minimalismus: Warum ich weniger besitzen will

Doch lassen wir die philosophischen Fragen einmal sein: Auch ich bin auf den Trend aufgesprungen und habe mir vorgenommen, weniger zu besitzen und bewusster zu konsumieren. Meinen Kleiderschrank sowie meine Kosmetik- und Büchersammlung habe ich bereits stark ausgemistet.

Einerseits will ich so dem endlosen Ressourcenverschleiss etwas entgegensetzen. Denn je weniger wir besitzen, desto weniger verspüren wir das Bedürfnis, ständig zu kaufen. Und je weniger wir kaufen, desto weniger wird produziert.

Andererseits lockt die Leichtigkeit des Nicht-Besitzens. Jeder, der einmal mit dem Rucksack um die Welt gereist ist, weiss, wie befreiend es ist, nur vier T-Shirts, zwei Hosen, einen Pulli, ein Buch und ein Stück Seife auf sich zu tragen. Und zu realisieren, wie wenig Materielles wir tatsächlich benötigen, um glücklich zu sein.

Geiz ist nicht geil

Halten wir uns vor dem nächsten Schnäppchenkauf also Folgendes vor Augen: Geiz ist nicht geil. Im Gegenteil: Unsere Konsumentscheide beeinflussen das Leben der Menschen in den ärmsten Ländern der Welt.

Wenn wir etwas verändern wollen, dann dürfen wir die Verantwortung nicht alleine den grossen Unternehmen zuschieben. Nein, wir müssen bei uns selbst beginnen und unser Konsumverhalten überdenken. Denn wenn wir bewusster konsumieren, können wir etwas bewirken. Und so tun wir nicht nur der Welt etwas Gutes, sondern letztlich auch uns selbst.

Liebe Leserin, lieber Leser, welche Strategien verfolgst du, um bewusster zu konsumieren? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.

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