Ich hätte nie gedacht, dass ich dies einmal sagen, eh pardon schreiben würde. Aber ganz ehrlich, ich beneide sie. Die Schwärme von Erstsemestern, die in diesen Tagen auf der Suche nach dem richtigen Vorlesungssaal oder Seminarraum wie aufgescheuchte Bienen auf dem Unigelände herumschwirren, den Rucksack voller Skripte und Bücher, die sie mangels Zeit nie alle lesen werden, den Kopf voller Zukunftsträume. Nichts Geringeres als Neurochirurg wollen sie werden, Menschenrechtsanwalt, Meeresbiologe oder Fernsehjournalist. Ach, wie grossartig die Zeiten doch waren, als wir noch Träume hatten. Und alles möglich schien.
Der Herbst duftet nach Uni, Freiheit und durchgelernten Nächten
Der Herbst riecht für mich auch mit 35 Jahren noch nach Unibeginn, nach Freiheit, Jugend und Unbeschwertheit. Ja, ich vermisse diese Zeit, in der es keine grösseren Sorgen gab als WG-Putzpläne, nervtötende Nebenjobs, öde Semesterarbeiten und ein paar Prüfungen zum Semesterende.
Doch was vermisse ich eigentlich? Vorlesungen in stickigen Räumen, die ich mangels Platz kauernd auf der Treppe verbrachte? Professoren, die ihr Skript so schnell herunterbrabbelten, dass es unmöglich war, sich Notizen zu machen, geschweige denn, dem Unterricht zu folgen? Vorlesungen über Verwandtschaftsethnologie, den Sonderbundskrieg und Medienrecht? Magenschmerzen von zu viel billigem Milchkaffee aus Pappbechern? Durchgelernte Nächte, wichtigtuerische Kommilitonen und Streitereien mit meinen Mitbewohnern, zum Beispiel über die wichtige Frage, wer den Abfall rausstellen oder das Klo reinigen muss?