Plötzlich war alles anders. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel hatte der Angst die Pforte zu meiner Seele geöffnet. Jetzt sass sie mir im Nacken. Nein, genau genommen hatte sie sich frech zwischen meine Schulterblätter gesetzt. Und zwar in der Form eines hässlichen, abstehenden, munter vor sich hinwachsenden Leberflecks.
Angst? Flüchten oder kämpfen, wir haben die Wahl
Was tun wir, wenn wir Angst haben? Es ist simpel. Wir flüchten. Oder wir kämpfen. Das heisst: Entweder vermeiden wir die angstauslösende Situation oder wir stellen uns ihr.
Ich entschied mich für Letzteres. Denn ich weiss aus eigener Erfahrung: Wenn wir uns der Angst nicht stellen, kommt sie früher oder später immer zurück. Und zwar mit doppelter Kraft.
Ich rief also zuerst mein telemedizinisches Zentrum an – genau so, wie es mein Versicherungsmodell vorsieht. Nachdem mich die diensthabende Ärztin telefonisch befragt und die Fotos meines Leberflecks – die ich ihr eingangs schicken musste – ausgewertet hatte, beschloss sie, mich an einen Dermatologen zu überweisen. Mein Leberfleck sah zwar unverdächtig aus. Aber er war gewachsen. Und das war kein gutes Zeichen. So viel hatte ich verstanden.
Warten, warten und nochmals warten
Ich musste also warten. Und zwar vier lange Wochen. Die Angst freute sich. Sie hatte inzwischen eine Decke zwischen meinen Schulterblättern ausgebreitet, trank Champagner und räkelte sich genüsslich in der Sonne. Kurzum: Sie hatte es sich richtig gemütlich gemacht.
Jetzt begann die Achterbahnfahrt der Gefühle: Mehrheitlich schaffte ich es zwar, die Angst mit rationalen Argumenten in Schach zu halten. Doch in schwachen Stunden tat ich das, was man beziehungsweise frau in so einer Situation auf keinen Fall tun sollte: Ich recherchierte im Internet.
Das heisst: Ich besuchte unzählige Seiten und Foren. Und kam – wie könnte es anders sein – zum beunruhigenden Schluss, dass zwischen meinen Schulterblättern etwas Bösartiges wucherte. Die Angst hatte unterdessen ihre beste Freundin auf die Party eingeladen: die Panik. Zusammen feierten sie ausgelassen. Und schlugen sich die Nächte um die Ohren.
Von einem Leberfleck, der gar keiner war
Dann konnte ich den Leberfleck, der inzwischen nochmals gewachsen war, endlich einem Spezialisten zeigen. Und der entlarvte ihn als gemeinen Hochstapler. Denn der Leberfleck war gar keiner. Die Diagnose: Eine seborrhoische Keratose, eine harmlose Hautveränderung.
Okay, was genau zwischen meinen Schulterblättern Platz genommen hat, habe ich bis heute nicht ganz verstanden. Aber ich habe verstanden, dass da kein bösartiges Ungetüm wuchert, das mich umbringen will. Und das genügt mir.
Wir sind der Angst nicht hilflos ausgeliefert
Die Angst und die Panik haben sich inzwischen verzogen. Sie lauern jetzt hinter geschlossenen Türen und hoffen auf die nächste günstige Gelegenheit. Und eins ist sicher: Die werden sie erhalten.
Sicher ist aber auch: Wir sind der Angst nicht hilflos ausgeliefert. Wir können ihr Paroli bieten. Beispielsweise indem wir ihr möglichst wenig Beachtung schenken. Indem wir die Angstgedanken vorüberziehen lassen, ohne auf sie einzugehen. Und indem wir sie als das entlarven, was sie in den meisten Fällen sind: Masslos übertriebene Gedanken, die uns schaden.
So können wir im besten Fall verhindern, dass die Angst unseren Rücken hinaufkriecht, sich in unserem Nacken niederlässt und es sich so richtig gemütlich macht. Und auch wenn uns das nicht ganz gelingt – denn es ist ganz schön schwer – , können wir der Angst so doch einen gehörigen Dämpfer verpassen.
Und ich habe noch etwas anderes verstanden. Die Angst verbessert niemals etwas an unserer momentanen Situation. Im Gegenteil: Sie macht alles nur noch schlimmer. Denn liebe Leute, seien wir ehrlich: Wie viele Stunden unseres Lebens vergeuden wir, indem wir uns Sorgen um Dinge machen, die gar nie eintreffen? Eins steht fest: Es sind zu viele.
Liebe Leserin, lieber Leser, wie hältst du die Angst in Schach? Ich bin gespannt!
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