Digitalität
Gesellschaft

Zurück aus dem Dornröschenschlaf: Hallo Post-Pandemie, hallo grenzenlose Digitalität?

Manchmal läuft das Leben nicht so, wie wir es möchten. Manchmal waten wir durch endlose Moore, kämpfen uns durchs Dickicht, Äste schlagen uns ins Gesicht, so lange und so hart, bis wir nicht mehr an den Silberstreifen am Horizont glauben.

Mir ist es in den letzten zwei Jahren ein bisschen so ergangen. Das Leben hat mich geprüft. Zuerst war da die Pandemie, gefolgt vom Tod meines Vaters und einem Erbstreit, der alte Wunden aufriss. Ich blutete, ich weinte, bis ich glaubte, keine Tränen mehr zu haben, war traurig und wütend zugleich, hasste das Leben, die Welt, mich selbst. Und als ich am tiefsten Punkt angelangt war, im Tal der endlosen Tränen, war ich kurz davor, diesen Blog zu löschen. Wozu noch schreiben in einer Welt, in der Algorithmen und SEO über Lesen und Nichtlesen entscheiden?

Nein, ich habe es nicht getan. Ich bin wieder hier. Ich schreibe. Weil ich gerne schreibe. Und weil dieses Flämmchen genügt, um weiterzumachen.

Post-Pandemie: Wie viel Digitalität ist gesund?

Was ist passiert? In den letzten Wochen war ich in Schweden, in einem Nationalpark, weit weg vom Trubel, von der Hektik, vom digitalen Wahnsinn. Ich habe den harten Wind auf meiner Haut gespürt, die Kälte in meinem Gesicht, den Duft von Pinienwäldern aufgesogen, Krebse beobachtet, mich vor Schlangen gefürchtet, Seerosen bestaunt, habe in heissen Saunen geschwitzt, bin in eiskalten Seen geschwommen. Und genau das hat mich zurück ins Leben gestossen, das Leben selbst, die Natur, mit der wir untrennbar verbunden sind.

Das echte, das wahre Leben also. Ist es nicht das, was uns in den letzten zwei Jahren auch als Gesellschaft gefehlt hat? Das Leben, das pulsiert, schmerzt, Freude macht, zerrt, ermüdet und uns wachsen lässt. Nicht das Leben, das sich von früh bis spät einsam vor dem Bildschirm abspielt, Team-Meetings, Yogakurse und Silvesterfeiern über Zoom inklusive. Einverstanden, dieses Leben war praktisch. Wir mussten unser trautes Heim nicht mehr verlassen, konnten uns direkt vom Bett an den Arbeitsplatz und danach ins digitale Fitnessstudio rollen. Aber wollen wir wirklich in einer durchdigitalisierten Welt leben, uns ganz auf die Technik verlassen, zwischenmenschliche Kontakte auf ein Minimum reduzieren? Bleibt da nicht etwas auf der Strecke? Hand aufs Herz: Reicht der in letzter Zeit viel strapazierte Begriff der Solidarität wirklich über die eigene Türschwelle hinaus? Und riecht das behaglich eingerichtete, durchdigitalisierte Daheim nicht ein kleines Bisschen nach der guten alten Biedermeierzeit?

Liebe Leserin, lieber Leser: Wie viel Digitalität ist gesund, wo liegt die Grenze? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

 

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2 Kommentare

  • Antworten Jean-Marc Horber 2. August 2022 nach 8:14

    Willkommen zurück, Eveline😊

    • Antworten Eveline 2. August 2022 nach 10:47

      Merci viumau, Jean-Marc!

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